Pflichtverteidigung

Pflichtverteidigung

Die Pflichtverteidigung oder auch die notwendige Verteidigung ist der Gegensatz zur Wahlverteidigung. In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten von Amtswegen ein Verteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte noch keinen eigenen Verteidiger benannt oder konsultiert hat (§§ 140 ff. StPO), soweit die Voraussetzungen vorliegen. Die Fälle in denen aus Sicht des Gesetzgebers die Verteidigung als notwendig erachtet wird, ist in § 140 Abs. 1 StPO aufgezählt. Hiernach liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn:

  • Zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem    Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
  • dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
  • das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
  • der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 StPO einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
  • der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
  • zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 StPO in Frage kommt;
  • zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
  • der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
  • dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
  • bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
  • ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt;

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, § 140 Abs. 2 StPO.

Auch das Jugendstrafrecht kennt die Fälle der notwendigen Verteidigung. Hiernach müssen die Konstellationen in § 68 JGG gegeben sein. 

Woher weiß ich, ob mir ein Pflichtverteidiger zusteht?

Je nach Situation des Beschuldigten ergeben sich verschiedene Möglichkeiten einen Pflichtverteidiger durch das Gericht beigeordnet zu bekommen. Wenn man einem Haftrichter vorgeführt, so muss dem Beschuldigten zwingend ein Verteidiger an die Seite gestellt werden. Bevor ein Pflichtverteidiger von Amtswegen bestellt wird, wird dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen. Wird ein Verteidiger benannt, wird dieser in der Regel auch als Pflichtverteidiger bestellt, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht. Selbstverständlich kann der genannte Verteidiger auch als Wahlverteidiger auftreten, wenn es denn gewünscht wird. Insofern kann jeder Beschuldigte seinen Anwalt des Vertrauens benennen und muss sich nicht zwangsläufig von einem ihm fremden Anwalt verteidigen lassen. 

In anderen Fällen erhält der Beschuldigte Post von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft mit der Information, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde und die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung vorliegen würden. Hier wird dem Beschuldigten meist eine Frist von 2 Wochen eingeräumt, in der ein Verteidiger von ihm zu benennen ist, der als Wahl- oder Pflichtverteidiger auftreten soll. Kann oder hat er keinen Verteidiger in dieser Zeit benannt, so wird im von Amtswegen ein Pflichtverteidiger bestellt.

Es kommt auch vor, in dem die Staatsanwaltschaft mit der Anklageschrift die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für notwendig erachtet und dies gleich beim zuständigen Gericht mitbeantragt. Auch hier kann der Beschuldigte einen Verteidiger benennen.

Kann ich meinen Pflichtverteidiger wechseln?

Unter bestimmten Umständen kann man den Pflichtverteidiger wechseln, § 143a StPO. Oft kommt es vor, dass der Beschuldigte einen anderen Strafverteidiger mit der Verteidigung beauftragt und dieser sich als Wahlverteidiger für den Beschuldigten legitimiert. Dann wird die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers aufgehoben. Gemäß § 143a Abs. 2 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers auch aufzuheben und ein neuer vom Beschuldigten ausgewählter Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn der Beschuldigte, dem ein anderer als der von ihm innerhalb bestimmter Frist bezeichnete Verteidiger beigeordnet wurde oder wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Endgültig zerstört ist das Vertrauensverhältnis, wenn zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann. Das ist vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus zu beurteilen.

Die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers ist auch vorzunehmen, wenn aus sonstigen Gründen eine angemessene Verteidigung des Beschuldigten nicht gewährleistet ist. Dies liegt vor, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden.

Zusätzlicher Pflichtverteidiger

In besonders umfangreichen oder schwierigen Verfahren, kann neben dem bestellten Pflichtverteidiger oder Wahlverteidiger zusätzlich bis zu zwei weitere Pflichtverteidige bestellt werden, § 144 Abs. 1 StPO. Voraussetzung für die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers ist, dass diese zur zügigen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist. Dies entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.

Wer zahlt die Pflichtverteidigerkosten?

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass die Pflichtverteidigung vom Geldbeutel abhängt. Pflichtverteidiger werden nur demjenigen beigeordnet, der sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Viele bezeichnen den Pflichtverteidiger daher auch als „Anwalt für Amre“. Das ist schlicht FALSCH! Anders als im Zivilrecht, gibt es im Strafrecht keine Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, die abhängig vom Einkommen, gewährt oder versagt wird. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist allein von den Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und 2 StPO abhängig. Die finanziellen Mittel des Beschuldigten spielen hierbei keine Rolle. Arm oder reich sind keine Kriterien.

Ein weiterer Irrglaube ist, die Kosten der Pflichtverteidigung trägt immer die Staatskasse. Richtig ist, dass der Pflichtverteidiger seine entstandenen Kosten zunächst gegenüber der Staatskasse abrechnet. Wird der Angeklagte verurteilt, muss er die Kosten des Strafverfahrens tragen. Da die Pflichtverteidigerkosten zu den Verfahrenskosten gehören, trägt er somit auch diese Kosten. Die entstandenen Pflichtverteidigerkosten werden dem verurteilten durch die Staatskasse auferlegt. Bei Freispruch zahlt die Staatskasse die Kosten und Auslagen des Angeklagten und somit auch die Pflichtverteidigerkosten. 

Welche Gebühren darf der Pflichtverteidiger abrechnen?

Die Kosten der Pflichtverteidigung sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abschließend aufgezählt. Je nach Verfahrensstadium werden festgesetzte Gebühren ausgelöst, die abgerechnet werden dürfen. Bestimmte Umstände wie Haft oder lange Hauptverhandlungstage (mehr als 5 Std) erhöhen die Gebühren.

Insofern ist es für dem Pflichtverteidiger nicht möglich Pauschalhonorare oder Stundenhonorare nach individueller Art abzurechnen. Anders als bei der Prozesskostenhilfe, kann der Pflichtverteidiger jedoch mit dem Mandanten eine individuelle Zuzahlung vereinbaren, die auch im Falle eines Freispruches bestehen kann.

Pflichtverteidiger schlechter als Wahlverteidiger?

Es hat bei vielen das Gerücht verbreitet, die Pflichtverteidigung ist eine „Verteidigung zweiter Klasse“ und somit schlechter als die Wahlverteidigung. Dies ist ebenfalls schlicht FALSCH! Der Pflichtverteidiger ist wie der Wahlverteidiger in erster Linie ein ganz normaler Rechtsanwalt der nicht für die Gerichte oder den Staat arbeitet. In der Praxis haben es sich die Gerichte jedoch zur Gewohnheit gemacht, häufig Rechtsanwälte als Pflichtverteidiger zu beauftragen, die wenig gegenhalten, Konflikte mit dem Gericht und Staatsanwaltschaft vermeiden und den Angeklagten bei der Verurteilung lediglich „begleiten“. Dies kann unter den oben genannten Voraussetzungen verhindert werden, indem man selbst einen Verteidiger seines Vertrauens auswählt, der für die Rechte des Angeklagten kämpft.

Wie finde ich den richtigen Pflichtverteidiger?

Wenn man keinen Strafverteidiger des Vertrauens hat, kann man sich bei der Rechtsanwaltskammer einer Pflichtverteidigerliste bedienen. Diese Liste ist auch im Internet, bei den Gerichten oder bei der Polizei vorhanden und einsehbar. Andererseits kann man auch im Internet auf der Homepage der einzelnen Strafverteidiger nachschauen, ob diese auch als Pflichtverteidiger tätig werden, was in der Regel der Fall ist.

Wenn man sich nicht sicher ist, ob nun ein Fall der notwendigen vorliegt, kann dies bei einem Strafverteidiger ermittelt werden. Dieser wird in der Regel die Frage schnell beantworten können.

Fazit

Die Pflichtverteidigung ist ein Instrument der Strafprozessordnung zum Schutze des Beschuldigten. Der Pflichtverteidiger ist keinesfalls schlechter als der Wahlverteidiger. Sie sollten nichts dem Zufall überlassen, denn schließlich geht es hier um Ihr Wohl. Daher sollten Sie zwingend von Ihrem Recht Gebrauch machen und einen Verteidigers Ihrer Wahl als Pflichtverteidiger benennen.

Wenn Sie noch Fragen rund um das Thema Pflichtverteidigung haben oder mich mit der Pflichtverteidigung beauftragen möchten, zögern Sie nicht anzurufen. Sollten Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie festgenommen worden sein, sollten Sie mich sofort über meine Notfallnummer kontaktieren.

Gern vertrete und verteidige ich Sie auch als Pflichtverteidigung.