Untersuchungshaft

Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft oder auch „U-Haft“ genannt, ist eine verfahrenssichernde Maßnahme gegen Beschuldigte und gleichzeitig der stärkste Grundrechtseingriff in die Rechte des Beschuldigten. Hierzu wird der Beschuldigte zunächst einem Haftrichter vorgeführt, der den Haftbefehl verkündet / erlässt und dann – trotz geltende Unschuldsvermutung – in eine spezielle Abteilung der Justizvollzugsanstalt untergebracht. Der Erlass eines Haftbefehls und dessen Vollzug, stellen das letzte Mittel der Verfolgung des Strafanspruchs dar. Durch diese Maßnahme soll der Beschuldigte gehindert werden, die weiteren Ermittlungen und das Verfahren negativ zu beeinflussen. Die Untersuchungshaft ist für den Betroffenen belastender, als für den Verurteilten im Strafvollzug. Häufig werden gleichzeitig durch die Staatsanwaltschaft Haftstatuten beantragt die vorsehen, dass Besuche, Briefe und Telefonate des Betroffenen durch das LKA kontrolliert werden. Dies gilt selbstverständlich nicht für die Kommunikation mit dem Verteidiger. Die Untersuchungshaft dauert maximal bis zur Rechtskraft des Urteils an und frühestens mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls.

Voraussetzungen

Die Untersuchungshaft setzt voraus, dass gegen den Beschuldigten ein dringender Tatverdacht besteht, ein Haftgrund vorliegt und die Untersuchungshaft verhältnismäßig ist. Zunächst gehen dem Haftbefehl Ermittlungen wegen einer Straftat voraus. Die Staatsanwaltschaft beantragt dann den Erlass eines Haftbefehles. Erlassen wird der Haftbefehl ausschließlich von einem Haftrichter.

Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine hohe oder zumindest große Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Straftat durch den Beschuldigten begründen. Die Tatbegehung muss ihm jedoch auch im Prozess nachgewiesen werden können, er also mit großer Wahrscheinlichkeit verurteilt wird. Ein bloßer Anfangsverdacht oder hinreichender Tatverdacht reicht hier nicht aus.

Zusätzlich ist neben dem dringenden Tatverdacht ein Haftgrund erforderlich. Haftgründe können die Flucht oder die Fluchtgefahr, die Verdunklungsgefahr und die Wiederholungsgefahr sein. Selbstverständlich kann auch die Schwere der vorgeworfenen Tat selbst ein Haftgrund sein.

Flucht: Flüchtig ist, wer sich von seinem bisherigen räumlichen Lebensmittelpunkt absetzt, um in einem gegen ihn anhängigen Strafverfahren unerreichbar zu sein und dem Behördenzugriff zu entgehen. Wer gerade seinen Urlaub im Ausland verbringt oder auf Geschäftsreise ist, der ist nicht flüchtig. Wer sich jedoch bewusst verborgen hält, also keine Meldeanschrift hat, unter falschen Namen auftritt und für die Behörden unerreichbar ist oder sich absichtlich ins Ausland abgesetzt hat, wird regelmäßig als flüchtiger angesehen.

Fluchtgefahr: Sie liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen, als für die Erwartung, er werde am Verfahren teilnehmen. Dies ist der am häufigsten angenommene Haftgrund. Dies wird in der Regel angenommen, wenn der Beschuldigte arbeitslos, vorbestraft, unverheiratet ist und keine familiäre Bindung hat. Häufig kommen noch Vermutungen hinzu, der Beschuldigte sei Mitglied einer kriminellen Organisation (Motorradclub, Mafia, Rotlichtmilieu, Großfamilie, Drogennetzwerk etc.), die ihm ermögliche jederzeit im Inland oder Ausland unterzutauchen. Gern wird auch der fehlende feste Wohnsitz als Argument genommen. Bei Ausländern wird häufig damit argumentiert, der Beschuldigte könnte sich in sein Heimatland absetzen. Das Lieblingsargument ist jedoch die Straferwartung. Je nach Vorwurf, habe der Beschuldigte eine bestimmte und empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten. Grundsätzlich ist die Höhe der Straferwartung tauglich eine Fluchtgefahr zu begründen, jedoch müssen weitere Umstände vorliegen. Die Straferwartung für sich allein ist kein Haftgrund.

Verdunklungsgefahr: Das Gesetz begründet dies damit, wenn Beweismittel vernichtet, beiseitegeschafft, unterdrückt oder gefälscht oder auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständigen in unlauterer Weise eingewirkt oder andere zu solchem Verhalten veranlasst werden und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werden würde. Es soll verhindert werden, dass der Beschuldigte auf Beweismittel einwirken kann.

Schwere der Tat: § 112 Abs. 3 zählt bestimmte Straftat auf, die die Schwere der Tat und damit die Untersuchungshaft begründen würden.

Wiederholungsgefahr: Sollte der dringende Tatverdacht bzgl. eines der in § 112a StPO genannten Katalogtaten vorliegen, kann der Haftbefehl auf die Wiederholungsgefahr gestützt werden. Die Gefahr besteht darin, der Beschuldigte werde / könnte erneut eine ähnliche Tat begehen. Diese Maßnahme dient nicht zur Verfahrenssicherung, sondern zur Vermeidung weiterer Straftaten. Häufig wird die Widerholungsgefahr bei den sogenannten „Sexualstraftaten“ angenommen. Dem Beschuldigten soll einerseits der Hang zur erneuten Begehung der Tat unterbunden werden und zum anderen soll die Allgemeinheit vor der Begehung dieser Taten geschützt werden.

Zu guter Letzt muss die Maßnahme jedoch im Verhältnis zur Schwere der Tat und den strafrechtlichen Konsequenzen stehen, also verhältnismäßig sein. D.h. auch wenn der dringende Tatverdacht und mindestens ein Haftgrund vorliegen, muss die freiheitsentziehende Maßnahme auch verhältnismäßig sein. Der Freiheitseingriff muss zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe, gewichtiger sein. Es muss also geprüft werden, ob die Freiheit des Beschuldigten der Strafverfolgung zurücktreten muss. Bei Bagatelldelikten oder kleineren Schäden ist dies unverhältnismäßig. In der Praxis wird diese Voraussetzung kaum beachtet und mit einem Satz am Ende des Haftbefehles abgespeist.

Haftprüfung

Wer einem Haftrichter vorgeführt wird und in Untersuchungshaft verbleibt, dem steht das Recht zu gemäß § 117 StPO eine Haftprüfung zu beantragen. Mit diesem Rechtsmittel soll die Prüfung der Haft durch den zuständigen Richter geprüft werden. Bei der Haftbefehlsverkündung hat der Verteidiger aber auch der Beschuldigte selbst, wenig bis gar kein Wissen über den Inhalt und Umfang der Ermittlungen. Auch wird der Verteidiger im Rahmen der Haftbefehlsverkündung nicht genügend Zeit haben, um mit dem Beschuldigten ausführlich die Haftgründe durchzugehen. Daher werden in der Regel bei der Haftbefehlsverkündung keine Angaben zu dem Tatvorwurf gemacht und meist auch nicht zu den persönlichen Verhältnissen. Der Verteidiger beantragt Akteneinsicht und gleichzeitig die Durchführung mündlicher Haftprüfung. Die mündliche Verhandlung ist innerhalb von zwei Wochen durchzuführen. Sobald die Ermittlungsakten vorliegen, kann die Vorbereitung auf die mündliche Haftprüfung beginnen. Bereits hier wird der Verteidiger mit dem Beschuldigten absprechen müssen, ob eine Einlassung in der Haftprüfung sinnvoll oder zu riskant wäre. Dann muss natürlich ausführlich über die Haftgründe gesprochen werden. Oftmals werden die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten überhaupt nicht in den Haftgründen aufgeführt. Dies liegt daran, weil schlicht nicht ermittelt wurde oder keine Erkenntnisse vorlagen. Hier muss der Verteidiger kleinlich alles auflisten, die die Haftgründe erschüttern könnten. Meist gestaltet sich die Haftprüfung zu einer regen Diskussionsrunde zwischen Verteidiger, Haftrichter und Staatsanwaltschaft. Der Haftrichter kann den Haftbefehl aufheben, außer Vollzug setzen, bestätigen, ergänzen, verändern, neu fassen oder auch mit einem anderen Haftgrund begründen. Ziel der Haftprüfung ist selbstverständlich die Freilassung des Beschuldigten. Wenn die Aufhebung des Haftbefehls nicht erreicht werden kann, sollte hilfsweise jedenfalls die Aussetzung seiner Vollziehung beantragt werden. Dies kann auch mit einer Meldeauflage, Beschränkung des Aufenthaltsortes, Weisung, die Wohnung nicht zu verlassen, Sicherheitsleistung (Kaution), Ausweis- bzw. Passabgabe oder anderen Auflagen verbunden werden.  Gegen die Verschonung hat die Staatsanwaltschaft ein Beschwerderecht.

Haftbeschwerde

Die Haftbeschwerde ist ein Rechtmittel gegen den Haftbefehl, den Haftfortdauerbeschluss nach Haftprüfung und die Haftfortdauer anordnenden Eröffnungsbeschlusses. Es kann immer nur die letzte richterliche Entscheidung angegriffen werden. Die Haftbeschwerde ist schriftlich einzulegen und sollte auch begründet werden. Ob der Haftbefehl mit der Haftbeschwerde oder Haftprüfung angegriffen werden soll, muss gut überlegt sein. Die Haftbeschwerde kann z.B. nicht zurückgenommen werden. Dies kann die Gefahr mit sich bringen, dass in den Ausführungen des Beschwerdegerichts belastend über die Tatbegehung und der Haftgründe ausgeführt werden. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erfolgt schriftlich durch Beschluss. Gegen diesen Beschluss besteht noch die Möglichkeit der weiteren Beschwerde. Jedoch ist hier Vorsicht geboten. Die höhere Instanz ist oft geneigt ihre Entscheidung ausführlicher zu begründen. Es kommt häufig vor, dass die höhere Instanz Ausführungen zur Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe, der aufgewendeten kriminellen Energie oder zu der Frage, ob Sicherheitsverwahrung in Frage kommt, tätigt. Die Instanzgerichte sind zwar in ihrer Entscheidung unabhängig, greifen aber gerne auf diese Ausführungen zurück.

Prüfung der Haftfortdauer durch das Oberlandesgericht

Ab der Unterbringung in Untersuchungshaft, muss die Hauptverhandlung spätestens nach sechs Monaten beginnen. Andernfalls entscheidet das Oberlandesgericht von Amts wegen über die Fortdauer der Untersuchungshaft. Noch vor Ablauf von sechs Monaten wird dem OLG auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Akten zur Entscheidung vorgelegt. Dem Inhaftierten und seinem Verteidiger wird gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Gegen die Anordnung des OLGs über die Haftfortdauer ist nur die Verfassungsbeschwerde zulässig. Die Haftfortdauer ist auch nach sechs Monaten ohne Beginn der Hauptverhandlung nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Besonders schwierig ist ein Verfahren bei komplizierter Rechtslage oder Tatsachenfeststellung. Besonders umfangreich ist ein Verfahren bei vielen aufzuklärenden Taten oder einer hohen Zahl an Mitbeschuldigten oder Zeugen.

Schweigen und Anwalt kontaktieren!

Auch in der Untersuchungshaft hat der Beschuldigte das Recht zu Schweigen und einen Strafverteidiger zu engagieren. Ob eine Einlassung bereits bei Haftbefehlsverkündung abgegeben werden soll, wird ein Strafverteidiger beurteilen können. Insofern sollte vorerst vom Aussageverweigerungsrecht Gebraucht gemacht werden und schnellstmöglich ein Strafverteidiger kontaktiert werden. Sollte der Beschuldigte im späteren Hauptprozess freigesprochen werden, hat er einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat. 

Sollten Sie oder eine Ihnen bekannte Person in Untersuchungshaft sitzen, so sollten Sie keine Zeit verlieren und mich schnellstmöglich kontaktieren. Den weiteren Verlauf werden wir kurzfristig besprechen.